Zytostatika (Chemotherapeutika):
Alkylantien (Fortsetzung)
Texte aus: Handbuch Medikamente, Stiftung Warentest, Berlin, 3 Aufl. 2000
Handelsnamen von Medikamenten: Kursiv, D Deutschland, A Österreich
Ifosfamid
D Holoxan, IFO-cell
A Holoxan
Zur Wirkung von Ifosfamid siehe Alkylantien.
Anwendung
Ifosfamid wird in sehr unterschiedlichen Dosierungen und Zeitabständen als Infusion gegeben.
Wenn es ambulant im Abstand von 3-4 Wochen als 24-Stunden-Infusion verabreicht werden soll, brauchen Sie einen implantierten Katheter. Oft genügt auch eine 1-stündige Infusion, die ambulant in der Arztpraxis gelegt werden kann.
Im Unterschied zu vielen Zytostatika hat es bei Ifosfamid keine Folgen, wenn die Nadel in der Vene verrutscht und das Mittel versehentlich in das umgebende Gewebe gelangt.
Achtung
Wenn Ihre Nieren nur eingeschränkt arbeiten, darf Ifosfamid nur in verringerter Dosierung angewandt werden. Das gilt auch, falls Sie zuwenig Eiweißstoffe im Blut (Serumalbumin) haben.
Wenn Sie noch andere Medikamente oder Behandlungsmethoden erhalten oder erhalten haben, ist zu beachten:
- Ifosfamid verstärkt die Wirkung von gleichzeitigen Bestrahlungen.
- Wenn Sie vorher in der Nierengegend bestrahlt wurden oder Cisplatin-haltige Medikamente bekommen haben, kann dies die unerwünschten Wirkungen von Ifosfamid verstärken. Dann sollten nach jeder Ifosfamid-Gabe die Nierenwerte kontrolliert werden.
- Wenn Ihre Krebserkrankung vorher mit Anthrazyklinhaltigen Mitteln behandelt wurde, steigt das Risiko für eine Herzschwäche und/oder Herzrhythmusstörungen, vor allem wenn Sie Ifosfamid in hoher Dosierung erhalten.
- Wenn Sie gleichzeitig bestimmte Medikamente gegen Erbrechen (z. B. Metoclopramid) oder Beruhigungsmittel in hoher Dosierung bekommen, kann es sein, dass die Leistungsfähigkeit Ihres Gehirns nachläßt und Sie schläfrig, verwirrt und desorientiert werden.
- Ifosfamid kann die Wirkung von Glibenclamid (bei Typ-2-Diabetes) bzw. Insulin (bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes) verstärken. Sie müssen den Blutzucker deshalb häufiger als sonst kontrollieren.
- Ifosfamid kann die Wirkung von gerinnungshemmenden Medikamenten (zur "Blutverdünnung" bei Thrombosen) verstärken. Wenn Sie solche Mittel einnehmen, muss die Gerinnungsfähigkeit des Blutes (Quick- oder INR-Wert) häufiger bestimmt und ggf. die Dosis dieser Mittel verringert werden.
Unerwünschte Wirkungen
Häufig und gefährlich
Blasenentzündungen mit blutigem Urin, denen Sie wie bei Cyclophosphamid mit reichlichem Trinken oder Medikamenten (Mesna) vorbeugen können.
Selten, aber gefährlich
Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen, vor allem bei hoher Dosierung. Bleibende Nierenschäden, meist nur bei hoher Dosierung.
Wenn Sie Ifosfamid hochdosiert bekommen und Ihre Nieren nur eingeschränkt arbeiten, kann es sein, dass die Leistungsfähigkeit Ihres Gehirns abnimmt. Sie werden schläfrig, verwirrt und leicht desorientiert, teilweise können auch Halluzinationen oder Verfolgungswahn (Psychosen) auftreten. Die Symptome bilden sich zurück, wenn Sie die Behandlung abbrechen. Diese unerwünschte Wirkung kann häufiger auftreten, wenn Sie über 60 Jahre alt sind, Alkoholprobleme haben oder hatten, oder wenn Ihre Leber nur eingeschränkt arbeitet.
Hinweise
Für Männer
Ifosfamid kann die Zeugungsfähigkeit (nicht die Potenz) dauerhaft beeinträchtigen.
Zur Verkehrstüchtigkeit
Falls Sie durch Ifosfamid schläfrig werden, sollten Sie keine Fahrzeuge lenken, Maschinen bedienen und keine Arbeiten ohne festen Halt verrichten.
Für Personen über 60 Jahre
Ifosfamid wird bei älteren Menschen verzögert ausgeschieden, dadurch erhöht sich das Risiko für unerwünschte Wirkungen.
Für Kinder unter 14 Jahren
Bei Kindern unter 3 Jahren erhöht sich das Risiko für bleibende Nierenschäden.
Lomustin
D Cecenu
A Lomustin (CCNU "Torrex")
Lomustin wirkt auf ähnliche Weise wie Carmustin
Anwendung
Lomustin nehmen Sie als Kapseln ein, und zwar am besten abends vor dem Schlafengehen oder 3Stunden nach einer Mahlzeit.
Achtung
Wenn Sie noch andere Medikamente oder Behandlungsmethoden erhalten, ist zu beachten:
- Gleichzeitige Überwärmungsbehandlungen (Hyperthermie) oder Bestrahlungen verstärken die Wirkung von Lomustin.
- Wenn Ihre Krebserkrankung gleichzeitig mit Doxorubizin behandelt wird, besteht die Gefahr, dass Sie akut erblinden. Es kommt vor, dass sich das Sehvermögen nach Absetzen der Medikamente nicht wieder bessert.
- Imidazole und Medikamente mit Amphoteri-cin B (beide bei Pilzinfektionen), Cimetidin (bei Magengeschwür) und Theophyllin (bei Asthma) verstärken die Wirkung von Lomustin.
Wenn Sie Phenobarbital (bei Epilepsie) einnehmen mussten oder müssen, wirkt Lomustin meist schwächer und sollte höher dosiert werden.
Unerwünschte Wirkungen
Häufig und gefährlich
Die bei fast allen Zytostatika vorkommenden Knochenmarkschäden, vor allem die Verringerung von Blutplättchen und weißen Blutkörperchen, können bei Lomustin verzögert einsetzen. Deshalb muss das Blutbild regelmäßig kontrolliert und ggf. die Behandlung eine Zeitlang ausgesetzt werden.
Selten, aber gefährlich
Verhärtung des Lungenbindegewebes (Fibrose) mit Luftnot und Sauerstoffmangel.
Melphalan
D Alkeran
A Alkeran
Zur Wirkung von Melphalan siehe Alkylantien,
Anwendung
Melphalan wird als Tablette geschluckt oder in die Vene gespritzt.
Bei den Tabletten ist unklar, wie viel Wirkstoff tatsächlich ins Blut gelangt. Die Dosis muss deshalb anhand von Blutbildkontrollen festgelegt werden. Diese zeigen, wann die Zahl der blutbildenden Zellen zu stark absinkt. Dann ist die maximale Dosis erreicht bzw. überschritten. Die Tabletten nehmen Sie am besten morgens auf nüchternen Magen ein.
Da die Wirkung bei den Spritzen besser abzusehen ist, bevorzugen viele Ärztinnen und Ärzte diese Anwendungsform.
Achtung
Wenn Ihre Nieren eingeschränkt arbeiten,
dürfen Sie Melphalan nur in verringerter Dosis bekommen.Wenn Sie noch andere Medikamente nehmen, ist zu beachten:
- Durch Cimetidin (bei Magengeschwür) oder Antazida (bei Sodbrennen) wird Melphalan weniger gut ins Blut aufgenommen, so dass es schlechter wirkt.
- In Kombination mit Ciclosporin (nach Organtransplantationen) kann sich die Nierenfunktion verschlechtern.
Unerwünschte Wirkungen
Selten, aber gefährlich
Wenn Sie Melphalan jahrelang einnehmen müssen, kann sich später eine Leukämie ausbilden.
Hinweise
Für Kinder unter 14 Jahren
Wenn Melphalan hoch dosiert und gleichzeitig mit Nalidixinsäure (bei Harnweginfektionen)
angewandt wird, sind Todesfälle aufgrund von Darmblutungen vorgekommen. Bei Kindern sollten deshalb Nutzen und Risiken der Behandlung besonders sorgfältig abgewogen und diese Medikamentenkombination vermieden werden.
Mitomyzin C
D Mitomycin medac, Mito-medac
A Mitomycin C "Kyowa"
Mitomyzin C gehört zur Gruppe der zytostatisch wirkenden Antibiotika. Es wird aber hier mit aufgeführt, weil seine Hauptwirkung der von Alkylantien entspricht.
Anwendung
Mitomyzin C wird immer gespritzt oder infundiert, meist 1 x alle 4, 6 oder 8 Wochen.
Es gelangt dabei bis in Körperhöhlen, die Medikamente sonst nicht erreichen. Deshalb wird es oft angewandt, wenn Krebszellen in Flüssigkeitsansammlungen vermutet werden, z. B. in der Bauchhöhle (Aszites) oder zwischen den beiden Schichten des Brustfells (Pleuraerguß). Wenn es sinnvoll erscheint, kann Mitomyzin C direkt in diese Körperhöhlen hineingespritzt werden (z. B. bei Blasenkrebs in die Harnblase), ebenso direkt in die Geschwulst (z. B. bei Lebermetastasen).
Achtung
Wenn Sie noch andere Medikamente nehmen, ist zu beachten:
- Wenn Ihre Krebserkrankung gleichzeitig mit Vincaalkaloiden behandelt wird (siehe Seite 712), können sich die Bronchien stark zusammenziehen und asthmaähnliche Beschwerden verursachen. Dagegen können Ärztin oder Arzt die bei Asthma üblichen Medikamente (siehe Seite 139) verschreiben.
- Wenn Sie gleichzeitig Mittel mit dem Wirkstoff Tamoxifen (bei Brustkrebs) bekommen, erhöht sich das Risiko, dass die Zahl der roten Blutkörperchen und der Blutplättchen stärker als sonst abnimmt und die Nieren nicht richtig arbeiten (hämolytisch-urämisches Syndrom).
Unerwünschte Wirkungen
Die sonst bei Zytostatika üblichen unerwünschten Wirkungen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall und Mundhöhlenentzündung treten bei Mitomyzin C nur selten auf oder sind nur schwach ausgeprägt.
Selten und unbedenklich
Allergische Hautreaktionen wie Ausschlag, gerötete Haut an Händen und Füßen.
Selten, aber gefährlich
Bei hoher Dosierung kann eine nicht von Bakterien ausgelöste (interstitielle) Lungenentzündung entstehen, die sich mit Glukokortikoiden verhindern bzw. behandeln läßt.
Schwere Nierenschäden mit Abbau der roten Blutkörperchen und stark verringerter Anzahl der Blutplättchen.
Nimustin
D ACNU
Nimustin gehört zu den Nitroseharnstoffen und überwindet wie Carmustin die Blut-Hirn-Schranke, so dass es sich besonders zur Behandlung von Hirntumoren oder -metastasen eignet.
Anwendung
Nimustin wird normalerweise 1 x alle 6 Wochen für ca. 30 Minuten infundiert. Diese langen Behandlungsabstände sind notwendig, weil Knochenmarkschäden oft erst 3-5 Wochen nach der Infusion auftreten.
Vor jeder Infusion müssen Ärztin oder Arzt das Blutbild kontrollieren. Haben sich die blutbildenden Zellen noch nicht genügend regeneriert, sollte die Infusion möglichst verschoben werden.
Achtung
Wenn Sie noch andere Medikamente nehmen, ist zu beachten, dass Phenobarbital (bei Epilepsie) die erwünschten und unerwünschten Wirkungen von Nimustin abschwächen kann.
Unerwünschte Wirkungen
Im Gegensatz zu anderen Nitroseharnstoffen schädigt Nimustin die Lunge nicht.
Thiotepa
D Thiotepa "Lederle"
A Thio-Tepa "Lederle"
Zur Wirkung von Thiotepa siehe Alkylantien.
Anwendung
Thiotepa wird 1 x wöchentlich in die Vene oder direkt in Körperhöhlen gespritzt, in denen Tumorzellen wachsen (z. B. Harnblase, Bauchhöhle).
Thiotepa wirkt auch gegen gutartige Wucherungen in der Harnblase (Papillome). Wenn spezielle Warzen (Kondylome) beseitigt werden sollen, wird es auf die Haut getupft.
Unerwünschte Wirkungen
Wenn Thiotepa in Körperhöhlen gespritzt wird, gelangt nur etwa 1/3 der Substanz in den Körperkreislauf. Deshalb sind die bei Zytostatika sonst auftretenden unerwünschten Wirkungen (z. B. Haarausfall, Erbrechen) meist nur schwach ausgeprägt. Das Knochenmark wird nur geringfügig geschädigt, so dass die Zahl der blutbildenden Zellen meist stabil bleibt.
Treosulfan
D Ovastat
Zur Wirkung von Treosulfan siehe Alkylantien.
Anwendung
Treosulfan wird geschluckt oder infundiert, und zwar vorwiegend bei Eierstock- und Brustkrebs. Die Kapseln müssen Sie mit reichlich Flüssigkeit schlucken, am besten mit einem großen Glas Milch zum Essen, sonst kann Ihnen übel werden.
Treosulfantabletten nehmen Sie einen Monat lang ein und machen dann einen Monat Pause; die Infusion erhalten Sie nur 1x im Monat. Am Tag nach der Infusion müssen Sie mindestens 2-3 Liter trinken, damit Nieren und Blase gut gespült werden und der Wirkstoff die Blasenschleimhaut nicht zu sehr reizt.
Achtung
Wenn Sie noch andere Medikamente nehmen, ist zu beachten, dass Treosulfan die Wirkung von Chloroquin (bei rheumatoider Arthritis) oder Ibuprofen (bei Schmerzen) abschwächen kann.
Unerwünschte Wirkungen
Selten und unbedenklich
Allergische Hauterscheinungen (Nesselfieber). Blasenentzündung mit blutigem Urin, wenn Sie nicht genug trinken.
Selten, aber gefährlich
Bei einer sich über Monate hinziehenden Therapie kann die Zahl der blutbildenden Zellen (vor allem weiße Blutkörperchen und Blutplättchen) zu stark absinken. Deshalb muss das Blutbild vor und nach jedem Behandlungszyklus kontrolliert werden.
Hinweise
Für Personen über 60 Jahre
Wegen der geringen unerwünschten Wirkungen eignet sich Treosulfan gut für ältere Menschen.
Trofosfamid
D Ixoten
Zur Wirkung von Trofosfamid siehe Alkylantien.
Anwendung
Trofosfamidtabletten nehmen Sie anfangs täglich in hoher Dosis ein, später und bei einer Dauertherapie in geringerer Menge.
Achtung
Wenn Sie noch andere Medikamente nehmen, ist zu beachten, dass Trofosfamid die Wirkung von blutzuckersenkenden Medikamenten verstärkt. Wenn Sie Diabetes haben, müssen Sie häufiger als sonst den Blutzucker kontrollieren und mit Ärztin oder Arzt besprechen, ob Sie die Dosis Ihrer Medikamente verringern sollen.
Unerwünschte Wirkungen
Bei kurzfristiger Anwendung verursacht Trofosfamid kaum Haarausfall und schädigt das Knochenmark weniger als andere Zytostatika.
Bei einer Dauertherapie kann die Zahl der weißen Blutkörperchen aber bedrohlich absinken, so dass monatliche Blutbildkontrollen notwendig sind.
Selten und unbedenklich
Braune Flecken auf der Haut.
Häufig und gefährlich
Wenn Sie Trofosfamid in hoher Dosierung einnehmen oder vorher im Unterbauch bestrahlt wurden, steigt das Risiko für Blasenentzündungen. Sobald Sie beim Wasserlassen Schmerzen oder Brennen spüren oder sich der Urin rötlich färbt, sollten Sie unverzüglich Ärztin oder Arzt informieren. Um solchen Blasenentzündungen vorzubeugen, können Ärztin oder Arzt den Wirkstoff Mesna geben oder Bikarbonat-Infusionen legen. Mesna neutralisiert die Abbauprodukte von Trofosfamid im Blut; Bikarbonat verringert den Säureanteil des Urins, so dass die Blasenschleimhaut weniger gereizt wird.
Stand: 15.06.2004