Die Antikörpertherapie
Erkenntnisse aus der Genforschung
Trastuzumab, der HER2-Antikörper
Kommt eine Antikörperbehandlung für Sie in Frage?
Autor: Dr. H.-J. Koubenec (Impressum)
Quellen: KID, Deutsches Krebsforschungzentrum
Roche: Brustkrebs
eigenes Expertenwissen
Die Antikörpertherapie
Antikörper sind Bestandteile des körpereigenen Abwehrsystems. Sie wirken gegen fremde, in den Körper eingedrungene Stoffe, wie zum Beispiel Giftstoffe, Bakterien oder Viren. Durch die Verbindung mit bestimmten Eiweißstrukturen des Eindringlings können sie diesen unschädlich machen. Antikörper können aber auch gegen körpereigene Stoffe wie etwa Bestandteile von Krebszellen aktiv werden. Aus dieser Erkenntnis ist ein neuer Ansatz zur Brustkrebsbehandlung entstanden: Seit einiger Zeit ist es möglich, solche Antikörper im Labor herzustellen und als Medikament einzusetzen.
Erkenntnisse aus der Genforschung
Aus der Krebsforschung weiß man, dass es zum Tumorwachstum kommen kann, wenn die Erbsubstanz - der Bauplan der Zellen - geschädigt wird. Derartige Veränderungen können beim Brustkrebs dazu führen, dass zu viele "Andockstationen" für Wachstumsfaktoren auf der Zelloberfläche entstehen. In der Fachsprache nennt man diese Stationen HER2- Rezeptoren (Human = menschlich, Epidermal = an der Zelloberfläche befindlich, Wachstumsfaktor-Rezeptor Nr. 2). Je mehr solcher HER2-Rezeptoren eine Brustkrebszelle produziert, desto mehr Wachstumssignale bekommt sie und der Teufelskreis beginnt: Sie teilt und teilt sich immer wieder, der Tumor wächst. Bei etwa 25 bis 30 Prozent aller Frauen mit Brustkrebs kann man ein vermehrtes Vorkommen von HER2 auf den Brustkrebszellen feststellen.
Trastuzumab, der HER2-Antikörper
Es ist gelungen, Antikörper gegen HER2-Rezeptoren herzustellen. Sie wirken als Gegenspieler zu den Wachstumsfaktoren, weil sie deren Platz auf dem HER2-Rezeptor besetzen können. Etwa so, als wenn zwei Autofahrer denselben Parkplatz ansteuern - der zweite von ihnen hat das Nachsehen. Durch die Blockierung des HER2-Rezeptors durch den Antikörper werden kaum noch Signale an die Krebszelle gesendet, die sie auffordern, sich zu teilen. Das Ergebnis: Das Tumorwachstum kann gebremst werden. Der Substanzname des HER2- Antikörpers lautet Trastuzumab.
Kommt eine Antikörperbehandlung für Sie in Frage?
Positiver HER2-Status
Mittels bestimmter feingeweblicher Nachweismethoden kann man herausfinden, ob Ihr Krebsgewebe eine Veränderung bezüglich HER2 aufweist. Dabei kann das Krebsgewebe, das Ihnen bei der Operation entfernt wurde, verwendet werden. Auch an älteren Proben läßt sich der HER2-Status nachträglich bestimmen. Bei etwa einem Drittel aller Frauen mit Brustkrebs ist die Menge von HER2 erhöht ("HER2-Überexpression"). Wenn das auch bei Ihnen der Fall ist, sind Sie HER2-positiv und die erste Voraussetzung für eine Behandlung mit dem HER2-Antikörper ist erfüllt.
Brustkrebs mit Tochtergeschwülsten
Bislang ist die Behandlung mit dem HER2-Antikörper nur für Frauen zugelassen, bei denen der Brustkrebs bereits Tochtergeschwülste, sogenannte Metastasen, gebildet hat. Hier kann der HER2-Antikörper in Kombination mit einer Chemotherapie oder als alleinige Substanz verabreicht werden - dies muss individuell entschieden werden.
Bessere Verträglichkeit
Der Antikörper wird als Infusion gegeben. Oft treten dabei kurzfristig grippeähnliche Symptome mit Fieber auf, die sich jedoch z. B. mit Paracetamol gut beherrschen lassen. Da der Antikörper aber, im Gegensatz zur Chemotherapie, nur auf die Tumorzellen wirkt und nicht auf gesunde Zellen, tritt kein Haarausfall auf, nur ganz selten Übelkeit, und das Blutbild wird auch nicht geschädigt. Jedoch kam es bei einigen (Risiko-)Patientinnen zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Atmung sowie der Herzfunktion, zum Teil mit Todesfolge. Dies betrifft vor allem Frauen mit Lungenmetastasen. Wenn für Sie eine Therapie mit dem HER2-Antikörper in Frage kommt, müssen vor Beginn der Behandlung daher etwaige Risikofaktoren (wie schwere Beeinträchtigung der Lungenfunktion oder Herzinsuffizienz) ausgeschlossen werden. Dies geschieht durch eine ausführliche Untersuchung Ihres Herzens mittels Elektrokardiogramm (EKG) und Echokardiografie (Ultraschall).
Erfahrungen mit dem HER2- Antikörper
Vor Einführung des Medikaments in Deutschland wurden weltweit etwa 30.000 Patienten mit der Antikörpertherapie behandelt. Da das Präparat dennoch sehr neu ist, werden derzeit viele klinische Studien damit durchgeführt. Eventuell werden auch Sie gefragt, ob Sie an einer solchen Studie teilnehmen möchten. Lesen Sie dazu auch das Thema "Klinische Studien".
Stand: 26.06.2010